Intro

 

Das Glossar hilft dabei Begriffe zu klären, die im Zusammenhang mit den Unterrichtsskizzen stehen und uns für deren Verständnis oder als Grundlage einer diskriminierungskritischen Arbeit wichtig sind. Die Einträge sollen mehr Nuancierung im Verständnis der verwendeten Begriffe schaffen, um eigene Biases im miteinander zu reflektieren

 

Diese Erläuterungen helfen auch dabei im Umgang mit Schüler*innen Klarheit zu entwickeln und Stellung zu beziehen. Denn gerade bei diskriminierungskritischer Arbeit geht es darum, vorsichtig und umsichtig mit Sprache, Beschreibungen und damit verbundenen Annahmen umzugehen.  

Der Gebrauch von „wir“ und „uns“ im Glossar bezieht sich auf das derzeitige kritilab Redaktionsteam, das aus Künstler*innen, Vermittler*innen und Lehrer*innen besteht. 

 

Das Glossar ist work in progress. Wie die Plattform, wird auch das Glossar wachsen und sich verändern, da die Verwendung und Bedeutung vieler Begriffe im Fluss sind.

 

Ressourcen zum Weiterforschen:

  • Glossar, Diskriminierungskritische Perspektiven an der Schnittstelle Bildung/Kunst, Kunsthochschule Mainz
  • Kindergerechtes Glossar, Film macht Mut
  • WörterbuchDiversity, Arts, Culture, Berlin 
  • Glossar Bode pool, Berlin 
  • Glossar, inter*, Ruhr Uni Bochum 
  • Glossar zum GrafStat Projekt Rechtsextremismus, Bundeszentrale für Politische Bildung, Bonn
  • GlossarInstitut für Art Education, Züricher Hochschule der Künste  
  • Plattform ANTI-BIAS, Wien 
  • Glossar Informations- und Dokumentationszentrum für AntirassismusV., Düsseldorf   
  • Glossar anläßlich der Ausstellung TO BE SEEN. queer lives 1900–1950, NS-Dokumentationszentrum München, 2022
  • Guide to being a trans ally, Straight for Equality, Pflag, Washinton DC, 2020 (Englisch)
  • Website der Universität zu Köln, Gender Equality & Diversity, #Unboxing Discrimination, Unconscious, Bias, 2020  

A

Ableismus 

„ist ein am englischen Wort ableism angelehnter Begriff, der aus der US-amerikanischen Behindertenbewegung stammt.“ „Er beschreibt die strukturelle Diskriminierung (Link zu) von Menschen mit (zugeschriebener) Behinderung bzw. von Menschen, die behindert werden.“ Ableismus betont die Ungleichbehandlung, Grenzüberschreitungen und stereotypen Zuweisungen die Menschen erfahren, die nicht den normativen Vorstellungen u.a. in Form von Produktivitäts‑, Schönheits- und Gesundheitsnormen entsprechen. Es kann auch durch ungefragte Hilfe oder das nicht Mitdenken bestimmter Situationen zu ungewollter Ableimus-Diskriminierung kommen.


Glossar, Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismus e.V.

 

B

Bias

»Der Begriff Bias kommt aus dem Englischen und beschreibt kognitive Verzerrungen, wie zum Beispiel automatische Stereotype und andere fehlerhafte Neigungen bei der Wahrnehmung, Erinnerung und Beurteilung. Biases treten meist unbewusst (= Unconscious Bias) auf.« (Wondrak 2014)

„Diese Verzerrungen entstehen im Zusammenhang mit Stereotypen und hängen unmittelbar zusammen mit gesellschaftlichen Diskriminierungsprozessen. Sie wirken sich auf unser Urteilen, unsere Entscheidungsfindung und schließlich auf unser Handeln aus. Sie können Personalauswahlentscheidungen und Leistungsbewertungen beeinflussen [zum Beispiel in der Schule], und dazu führen, dass wir Menschen ungewollt unfair bewerten, auch wenn wir denken im Sinne der Fairness zu handeln.« (Universität zu Köln, 2020)

 

Unconscious Bias, Stereotype und Vorurteile, Anti-Bias Plattform, 2014  

Gender Equality & Diversity, #Unboxing Discrimination, Unconscious Bias, Website der Universität zu Köln, 2020 

 

Binarität / binäre Sichtweisen

Binäre Sichtweisen sind Vereinfachungen, die komplexe Sachverhalte oder die Vielfalt von Lebenswirklichkeiten in zwei Lager aufteilen, meist einhergehend mit Abwertungen. Populistische Argumentationen nutzen deswegen gerne binäre Logiken. In diesem Zusammenhang steht auch das Othering (link). Binäre Sichtweisen betreffen unter anderem Geschlechterodnungen. Im Zusammenhang der binären Einteilung von Geschlecht in zwei Kategorien: Mann und Frau, wird auch von einem System der Zweigeschlechtlichkeit gesprochen. „Binäre Repräsentationen prägen unsere Vorstellungen von Geschlechterkonzepten und stellen eine soziale Ordnung her, die geschlechtliche Vielfalt ignoriert. Ausgeblendet werden darin sowohl Menschen mit einer nicht-binären Geschlechtsidentität (gender) als auch die biologische Vielfalt von Geschlecht (sex).“

 

Glossar lab.Bode pool, Berlin 

 

BIPoC*

BIPoC* steht für Black, Indigenous, People of Color und ist eine analytische und politische Selbstbezeichnung. Der Asterisk verweist nicht ausschließlich auf die Geschlechtervielfalt von BIPoC*, sondern auch auf jene Menschen mit Rassismuserfahrungen, die sich nicht mit den im Akronym enthaltenen Begriffen identifizieren. Der Begriff gibt Menschen mit Rassismuserfahrungen eine Community und Raum für Aktivismus, Schutz und Empowerment. Gleichzeitig macht er die Vielfältigkeit von Rassismuserfahrungen unterschiedlicher Menschen sichtbar und ermöglicht solidarische Bündnisse über die Grenzen marginalisierter Communitys hinweg.

 

Glossar, Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismus e.V.,

 

C

cis

Cis ist die Kurzform für cis-gender oder cis-geschlechtlich und beschreibt Personen, deren bei der Geburt zugeschriebenes Geschlecht (sex) mit ihrer Geschlechtsidentität (gender) übereinstimmt. 

 

Critical Whiteness

Kritisches Weißsein (engl. Critical Whiteness) bezeichnet den kritischen Blick auf Weißsein als soziale Kategorie. Im Gegensatz zu anderen Rassismusanalysen, die Schwarze Menschen und People of Color als „Opfer“ im Blick haben, werden die Auswirkungen von Rassismus auf die Sozialisation weiß positionierter Menschen betrachtet. Auch wenn klar ist, dass es keine „Rassen“ gibt, sind rassifizierte Kategorisierungen eine soziale Realität. Während Schwarze Menschen strukturell ethnisiert und als anders markiert werden, wird der Gegenentwurf, der diese rassistischen Konstruktionen erst möglich macht – das Weißsein – strukturell ausgeblendet und mit ihm alle Privilegien und Ungleichheiten, die damit einhergehen. Bspw. finden sich schon im Kindesalter weiße Menschen selbstverständlich in Büchern, Filmen und Liedern repräsentiert, während Schwarze Menschen kaum als selbstverständlich Anwesende auftauchen. Dadurch bleibt Weißsein Norm und Normalität und es gelingt nicht, die rassistischen Machtstrukturen zu erkennen und zu hinterfragen. Von Schwarzen Wissenschaftler:innen und Aktivist:innen in den USA und später in Europa erkämpft, hat sich diese Sichtweise auch im wissenschaftlichen Kontext etabliert: Die Critical Whiteness Studies (Kritische Weißseinsforschung) sind inzwischen auch an deutschen Universitäten vertreten und bilden mit ihrer Perspektive bspw. einen integralen Bestandteil der Migrationspädagogik.​​​​​​​

 

Crossdressing 

Idealerweise hat Kleidung kein Geschlecht und kann von allen Personen geschlechtsunabhängig und ohne Vorbehalte getragen werden. Innerhalb vorherrschender binärer und heteronormativer Geschlechtskonstruktionen existieren allerdings an Kleidung geknüpfte Zuschreibungen und binäre Konnotationen. „Crossdresser*innen tragen manchmal oder immer Kleidung, die als typisch für das (vermeintlich // siehe Binarität) andere Geschlecht gilt. Der Kleiderwechsel kann unterschiedliche Gründe haben. Es kann zum Beispiel darum gehen, mittels Kleidung die eigene Geschlechtsidentität zu leben oder die eigenen Handlungsmöglichkeiten und Lebensräume zu erweitern.“  Nsdoku _ Glossar –> link

 

Glossar anläßlich der Ausstellung TO BE SEEN. queer lives 1900–1950, NS-Dokumentationszentrum München, 2022

 

D

Dekolonialität

Dekolonialität (spanisch: decolonialidad) ist eine Denkschule, die darauf abzielt, eurozentrischen Wissenshierarchien und Lebensweisen entgegenzutreten, um andere Existenzformen zu ermöglichen. Dekoloniale Perspektiven verstehen den Kolonialismus als Grundlage für das alltägliche Funktionieren der kapitalistischen Moderne als auch des Imperialismus von der es sich abzulösen gilt. Dieser gegenwärtige Zustand wird als Kolonialität bezeichnet. Der peruanische Soziologe Aníbal Quijano, zum Beispiel, spricht über „Kolonialität der Macht“ und „Kolonialität des Wissens“ und kritisiert die wahrgenommene Universalität des westlichen Wissens und die Überlegenheit der westlichen Kultur, einschließlich der Systeme und Institutionen, die diese Wahrnehmungen verstärken. 

Zum Weiterforschen: Aníbal Quijano (2007). „Coloniality and Modernity/Rationality“. Cultural Studies21 (2–3): 168–178. 



Diskriminierung 

„Eine Diskriminierung im rechtlichen Sinne ist jede ungerechtfertigte Ungleichbehandlung aufgrund von Rassifizierung, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexueller Orientierung. Diskriminierungen können bewusst oder unbewusst erfolgen. Sie knüpfen etwa an Vorurteile oder stereotype Normalitätserwartungen an. Sie können offen und direkt geschehen (unmittelbare Diskriminierung), wenn zum Beispiel jemand aufgrund seines Namens nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen wird oder aufgrund seiner Hautfarbe bei der Wohnungssuche abgelehnt wird.

Diskriminierungen sind aber oft auch schwerer erkennbar (mittelbare Diskriminierung), etwa wenn Regelungen scheinbar neutral formuliert sind. Dies ist zum Bespiel der Fall, wenn in Stellenausschreibungen allgemein eine akzentfreie Beherrschung der deutschen Sprache gefordert wird ohne, dass dies explizit für die Ausübung der Tätigkeit erforderlich ist.“ (Webseite, Beauftragte der Bundesregierung)

Diskriminierung kann sich auf verschiedene Weise zeigen und bezeichnet sowohl den Vorgang als auch das Ergebnis, also die Ausgrenzung und strukturelle Benachteiligung der diskriminierten Gruppen. Die Durchsetzung von Diskriminierung setzt in der Regel ein Machtgefälle voraus. Sowohl individuelles Handeln, als auch gesellschaftliche, politische, wirtschaftliche und rechtliche Strukturen können zu Diskriminierung führen und intersektional zusammenwirken.

Schutz vor Diskriminierung, Webseite der Beauftragten der Bunderregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, und der Beauftragten der Bundesregierung für Antirassisimus 

 

E

Empowerment 

„Empowerment ist ein englischer Begriff und bedeutet Ermächtigung. Das Konzept zielt auf eine Umverteilung von Teilhabemöglichkeiten, Handlungs- und Gestaltungsmacht ab. Von Marginalisierungen betroffene Personen oder Gruppen erlernen Strategien und erwerben Qualifikationen, um ihr Leben oder bestimmte Aspekte davon selbstbestimmter gestalten zu können.“ 


Glossar lab.Bode pool, Berlin  

 

Eurozentrismus

Ein eurozentrisches Weltbild erklärt Ideen, Wertvorstellungen und Lebensweisen, die in europäischen Ländern entstanden sind zum Maßstab für alle. „Da der Begriff vielmehr ideologisch als geografisch geprägt ist, zählen andere westliche Länder wie die USA ebenso dazu. […] Zudem beschreibt Eurozentrismus die Vorherrschaft von westlichen, weißen Perspektiven in Wissenschaft, Politik und Wirtschaft.“

 

Glossar, Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismus e.V.,  

 

G

Gender 

„Der aus dem Englischen stammende Begriff steht für das soziale Geschlecht. In Abgrenzung zum biologischen Geschlecht (engl.: sex) sind mit sozialem Geschlecht die gesellschaftlich, sozial und kulturell konstituierten Geschlechterrollen von Frauen und Männern, die gesellschaftlich dominanten Vorstellungen von Weiblichkeit und Männlichkeit gemeint. Betont wird damit, dass Vorstellungen über „typisch weibliche“ oder „typisch männliche“ Aufgaben und Rollen nicht naturgegeben sind, sondern auf kulturellen Traditionen und gesellschaftlichen Konventionen beruhen. Gleichzeitig können sex und gender nicht trennscharf voneinander abgegrenzt werden: Soziales Geschlecht lässt sich nicht völlig von biologischen Merkmalen trennen und umgekehrt beeinflussen die sozialen Geschlechter die Vorstellung von biologischen Geschlechtern. Insofern beeinflussen sich beide Kategorien wechselseitig.“

 

Glossar Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismus e.V., 

 

Gliederpuppen 

Gliederpuppen tauchten bereits in der Antike auf. Damals noch als Spielzeuge genutzt, werden sie heute häufig in genormten Maßen und großen Mengen im Kunstunterricht als Zeichenvorlagen genutzt. Neben dem großen Vorteil, dass die Gliederpuppen selbst in den ungemütlichsten Positionen stundenlang Modell stehen können sollte gleichzeitig klar sein, dass sie alle den gleichen standardisierten Körper haben und die Vielfalt menschlicher Körper nicht widerspiegeln. 

 

H

Hegemonie 

„Hegemonie kann die Vorherrschaft bestimmter Personengruppen und Denkmuster gegenüber anderen beschreiben. Dabei zeichnet sich diese Herrschaft nicht hauptsächlich durch Zwang und Gewalt aus, sondern durch ein pädagogisches Verhältnis zwischen Regierenden und Regierten. Die herrschenden Personengruppen/Vorstellungen sind gesellschaftlich so dominant und beeinflussend, dass die Regierten trotz ihrer eigenen Vorstellungen im Einklang mit den vorherrschenden Gruppen/Vorstellungen stehen und nicht dagegen vorgehen.“ Für Beispiele zur  „Unterbrechung von hegemonialen Verhältnissen“ siehe unter „U“.

 

quixkollektiv o.J., zitiert auf Diskrit

 

Heteronormativität

 

I

Identität

 

Inklusion 

 

*innen (wie / warum gendern wir)

»Mit der Verwendung von geschlechtergerechter Sprache soll erreicht werden, dass alle Personen gleichwertig angesprochen bzw. genannt werden. Sprache ist ein wesentliches Medium für die Vermittlung von Wissen und Werten. Studien zeigen, dass, wenn nur die männliche Form (generisches Maskulinum) benutzt wird, Menschen sich im Wesentlichen Männer vorstellen. Damit alle Personen angesprochen werden, kann von »Studierenden« statt »Studenten« gesprochen werden oder von Schüler*innen anstatt Schülern. Die sogenannte Beidnennung (Schülerinnen und Schüler) ist für eine geschlechtergerechte Sprache nicht ausreichend, da hierbei nur Männer und Frauen angesprochen werden.« (inter*-NRW o.J.)
Die Verwendung des Unterstrichs oder des Doppelpunkts sind weitere Möglichkeiten nicht-binärer Sprache, die die Vielfalt geschlechtlicher Identität (gender) sowie die biologische Vielfalt von Geschlecht (sex) zum Ausdruck bringen. Zum Beispiel: Schüler_innen oder Künstler:innen. Gesprochen werden alle drei Möglichkeiten mit einem minikurzen Stopp zwischen dem Wort und ‑innen.

 

Glossar, inter*, Ruhr Uni Bochum

K

Kanon (kunsthistorisch), Kanonbildung

„Das Wort »canon« bedeutet im Lateinischen »Regel, Norm, Richtschnur, Messstab« (Duden 2021) und im Spätlateinischen unter anderem auch »Glaubensregel«. Unter einem künstlerischen oder kunsthistorischen Kanon kann demnach eine Auswahl »mustergültiger Autoren [und] Werke« (Duden 2021) bzw. kunsthistorischer Positionen verstanden werden. Diese gelten meist als besonders wertvoll und werden als beispielhafte Vertreter*innen verschiedener künstlerischer Disziplinen bzw. Stilrichtungen behandelt und nach von Menschen festgelegten (historischen) Zeitabschnitten sortiert. Die lateinische Wortherkunft verweist auch auf die normativen Vorstellungen, die in einen Kanon einfließen und durch ihn weitervermittelt werden. Aufgrund der gesellschaftlichen Anerkennung (siehe Hegemonie) des Kanons, seiner Regelhaftigkeit und Mustergültigkeit (s.o.), dient er zum Beispiel in Bildungseinrichtungen dazu, bestimmte Kunstwerke auszuwählen, vor anderen zu priorisieren und in eine Rangfolge zu bringen. Wir verstehen daher den kunsthistorischen Kanon, wie er auch in Schulen und Universitäten gelehrt wird, als wirksames und mächtiges Werkzeug der Absicherung kultureller Hegemonie (siehe Hegemonie). Wie bereits Linda Nochlin in ihrem bekannten Essay »Why Have There Been No Great Women Artists?« von 1971 feststellte: »[…] things […] are stultifying, oppressive and discouraging to all those, […] who did not have the good fortune to be born white, preferably middle class and, above all, male.« (Nochlin 2015) – ist die im westlichen Kanon eingebettete Perspektive bzw. dominante Subjektposition zumeist (cis-)männlich, weiß, heterosexuell, bürgerlich, christlich und able-bodied (siehe Ableismus).“

 


Diskrit, 2021

Kanon, Website des Dudenverlags, 2021 

From 1971: Why Have There Been No Great Women Artists? Linda Nochlin, ARTnews, 2015

 

kritisch

Für uns beinhaltet „kritisch“ neben dem herkömmlichen Verständnis des Hinterfragens, Prüfens und Beurteilens auch das Vermeiden emotionaler Argumentation und übermäßiger Vereinfachungen. Auch das Berücksichtigen anderer Interpretationen und das Tolerieren von Mehrdeutigkeiten ist für uns kritische Praxis. „Kritisch“ bezieht sich in diesem Sinne nicht [nur] auf Kritik in Sinne von Beurteilung, sondern in einem nächsten Schritt auch darauf „zu imaginieren, zu verändern und zu konfigurieren“. (Critical Media Lab) 

Wir streben eine kritische Arbeit an, um gesellschaftliche Verhältnisse und Ungleichheiten wahrzunehmen, zu benennen und die Umstände, die sie bedingen anzugehen, welche für uns eine selbstkritische Reflexion über die eigene Verstrickung in die gesellschaftlichen Strukturen mit sich bringt. (Diskrit) 

 

Critical Media Lab, Hochschule für Gestaltung und Kunst, Basel
Glossar Diskrit, 2021

 

kulturelle Aneignung/Vereinnahmung

„Als kulturelle Aneignung (engl. cultural appropriation) wird ein Prozess bezeichnet, bei dem Elemente einer Kultur enteignet und aus dem Zusammenhang gerissen in einen anderen Kontext gesetzt werden. In großem Maße ist das während des Kolonialismus passiert: Noch heute befinden sich während der Kolonialzeit geraubte Gegenstände in westlichen Museen, oftmals wird ihre Bedeutung für die jeweilige Kultur nicht oder unzutreffend dargestellt. Symbole und Gegenstände werden exotisiert und sich von Menschen angeeignet, die oftmals ihre Bedeutung und Geschichte nicht kennen. Häufig wird dabei die Geschichte der Unterdrückung und Gewalt ausgeblendet, die dazu geführt hat, dass diese Aneignung erst möglich wurde.“ Besonders problematisch ist die Übernahme kultureller Elemente von strukturell benachteiligten Gruppen durch privilegierte Gesellschaften.

 

Glossar Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismus e.V., ​​​​​​​

 

N

non-binary 

Im Bezug auf gender wird non-binary auch als Überbegriff für Geschlechtsidentitäten verwendet, die neben/ außerhalb den binären (Link zu Binarität) Kategorien existieren. Nicht-binäre Sichtweisen stehen für ein Bewusstsein über die Komplexität und Pluralität intersubjektiver Welt- und Wirklichkeitswahrnehmung.
Begriffe wie gender nonconforming, genderfluid, genderneutral, aber auch non-binary können sowohl als Selbstbeschreibungen des eigenen genders, als auch als Beschreibungen für Style oder Verhalten verwendet werden, die gegen binäre Geschlechterstereotype verstoßen oder sich von diesen ablösen. 

 

O

Open Source

Open Source bezeichnet Software, deren Programmiercode frei zugänglich veröffentlicht wird, damit er wiederverwendet, verändert, und weiterentwickelt werden kann. kritilab, als peer-to-peer sharing Plattform ist mit Open Source Software gebaut, so dass die Webseite von anderen nachgebaut werden kann. Diese Bauweise, als auch kritilab’s methodische und strukturellen Setzungen sehen wir als eine Unterbrechung hegemonialer Verhältnisse. Denn für uns steht Open Source für die Überzeugung, dass wir im gemeinsamen Austausch am meisten bewegen können. Konkret heißt das, die auf kritilab veröffentlichten Ideen, Anregungen und Erfahrungen können angewendet, weiterentwickelt und je nach Kontext reflektiert und angepasst werden. 

 

Othering

„Othering beschreibt den Gebrauch und die Distanzierung von anderen Gruppen, um seine eigene ›Normalität‹ zu bestätigen. Im Deutschen könnte man es mit ›jemanden anders(artig) machen‹ übersetzen. Othering beschreibt den Prozess, sich selbst bzw. sein soziales Bild positiv hervorzuheben, indem mensch eine_n anderen bzw. etwas anderes negativ brandmarkt und als andersartig, das heißt ›fremd‹ klassifiziert. Sei es wegen der (zugeschriebenen) Herkunft, der geographischen Lage, der Ethik, der Umwelt oder der Ideologie. In dieser Differenzierung liegt potenziell hierarchisches und stereotypes Denken, um seine eigene Position zu verbessern und als richtig darzustellen«. (quixkollektiv, o.J.)

„Othering ist, wenn ich bewusst oder unbewusst davon ausgehe, dass eine Person nicht zu »unserer Gruppe« gehört und ich diesen Zustand sozial durch mein Handeln herstelle. Es kann zur Selbstbestätigung dienen, dass die »eigene« Gruppe der »anderen« überlegen sei und damit begründet, warum die »andere« Gruppe benachteiligt wird.“ (Glossar IAE, ZHdK)

„Zum Beispiel indem ich, wenn ich spreche, dem Muster »Wir« vs. »Die Anderen« folge und meine Mitmenschen von der Art und Weise, wie »die Anderen« angeblich sind, überzeuge. Oder wenn ich Unterricht mache, davon ausgehe, dass »die« auf eine bestimmte Art und Weise erzogen werden müssen, oder ich davon ausgehe, dass »die« dieses und jenes nicht können, weil »die« eben so sind – und sich das zum Beispiel in den Noten zeigt und Schüler_innen schlechter benotet werden.“ (diskrit)

 

quixkollektiv o.J., zitiert auf Diskrit 

Glossar, Othering, Website von ZHdK Zürcher Hochschule der Künste, Forschung, Ehemalige Forschungsinstitute, Institute for Art Education, o.J.

Diskrit - Plattform für diskriminierungskritische Perspektiven an der Schnittstelle von Bildung und Kunst, 2021 


P

Postkolonial 

Postkoloniale Studien beschäftigen sich in erster Linie mit einer Analyse des existierenden kolonialen Diskurses. Sie sind eine Untersuchung der politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und historischen Auswirkungen des europäischen Kolonialismus. Postkoloniale Theoretiker*innen (unter vielen anderen, Gayatri Chakravorty Spivak, Stuart Hall, Benita Parry, Edward Said, Ella Shohat, Minh Ha, T. Trinh​​​​​​​) untersuchen in welcher Weise auch nach der Unabhängigkeit Strukturen der Dominanz und Ausbeutung häufig von den neuen einheimischen Eliten aufrechterhalten werden. Vor diesem Hintergrund wird die Vorsilbe „post“ in „Post-kolonialismus“ seit den 1990er Jahren nicht mehr als zeitliche Markierung für einen klar umrissenen Übergang nach der Unabhängigkeit verstanden, sondern als eine Beziehungsmarkierung, die die anhaltende Wirkung des Kolonialismus auf eine ehemalige Kolonie registriert. 

„Dabei wird Dekolonisierung als ein Prozess verstanden, der sowohl von BIPoC*s als auch weißen Personen durchlebt werden muss, um sich von kolonialen Denk- und Handlungsmustern lösen zu können. Laut dem postkolonialen Theoretiker Edward Said heißt dekolonisieren, ganz gleich ob von Europa, Afrika oder Asien aus betrachtet, Widerstand gegen jegliche kolonialen Vorstellungen zu leisten, koloniale Geschichte aufzuarbeiten und die heutigen Formen der postkolonialen Unterdrückung zu bekämpfen.​​​​​​​“

 

Glossar, Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismus e.V.​​​​​​​

​​​​​​​​​​​​​

Q

Queer  

„Im Wortsinn bezeichnet der englische Begriff „queer“ alles, was gängigen Normen widerspricht oder sich nicht in vorherrschende Kategorien einordnen lässt. Im Kontext von Geschlecht und Sexualität sind Positionen und Personen gemeint, die die cis-heteronormative Ordnung mit zwei sexuell aufeinander bezogenen Geschlechtern (Mann und Frau) herausfordern oder eben: durchqueren. Ursprünglich handelte es sich um ein Schimpfwort, heute wird queer als offener Sammelbegriff für verschiedene Identitäten oder als Selbstbezeichnung verwendet.“

 

Glossar anläßlich der Ausstellung TO BE SEEN. queer lives 1900–1950, NS-Dokumentationszentrum München, 2022

 

R

Rassismus

Rassismus ist der Prozess, in dem Menschen aufgrund tatsächlicher oder vermeintlicher körperlicher oder kultureller Merkmale (zum Beispiel Hautfarbe, Herkunft, Sprache, Religion) als homogene Gruppen konstruiert, hierarchisierend bewertet und ausgegrenzt werden. Der klassische Rassismus behauptet eine Ungleichheit und Ungleichwertigkeit von Menschengruppen auf Grundlage angeblicher biologischer Unterschiede. Im Neorassismus wird die Ungleichheit und Ungleichwertigkeit mit angeblichen Unterschieden zwischen „Kulturen“ zu begründen versucht. Rassismus ist die Summe aller Verhaltensweisen, Gesetze, Bestimmungen und Anschauungen, die den Prozess der Hierarchisierung und Ausgrenzung unterstützen. Sie beruhen auf ungleichen Machtverhältnissen.

 

Glossar, Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismus e.V.​​​​​​​​​​​​​​

 

 

Rassifizierung, Rassisierung, Rassialisierung, Rassisiertheit (engl. race)

» Rassifizierung beschreibt sowohl einen Prozess, in dem rassistisches Wissen erzeugt wird, als auch die Struktur dieses rassistischen Wissens. Im Einzelnen umfassen Prozess und Struktur die Kategorisierung, Stereotypisierung und implizite Hierarchisierung von Menschen. Dabei werden historisch variablen wahrnehmbaren und nicht wahrnehmbaren körperlichen (z. B. Hautfarbe, Schädelform), soziologischen (z. B. Kleidung), symbolischen und geistigen (z. B. Einstellungen und Lebensauffassungen) sowie imaginären Merkmalen (z. B. okkulte Fähigkeiten) Bedeutungen zugewiesen. Dies geschieht, indem erstens mit Hilfe dieser Merkmale gesellschaftliche Gruppen definiert – also kategorisiert – werden. Aufgrund der ausgewählten Merkmale erscheinen die konstruierten Gruppen als naturgegebene Einheiten, die sich biologisch reproduzieren. In einem zweiten Schritt der Bedeutungszuweisung wird das Wesen der konstruierten Fremdgruppe(n) bestimmt und werden ihnen stereotype Eigenschaften zugeschrieben – auch diese können wieder der Kategorisierung dienen. Durch die Stereotypisierung wird spiegelbildlich das Wesen der konstruierten Eigengruppe festgeschrieben.

Rassismus und Rassifizierung lassen sich nicht voneinander trennen. Denn im Prozess der Rassifizierung ist die hierarchisierende Bewertung der konstruierten Gruppen implizit enthalten – und zwar sowohl in den Merkmalen, mit deren Hilfe die Gruppen unterschieden werden, als auch in den Eigenschaften, die den Gruppen zugeschrieben werden. Denn in der Wahl der Merkmale und der Maßstäbe, nach denen die Gruppen verglichen werden (zum Beispiel nach Schönheitsidealen oder nach dem erreichten Stand kapitalistischer ›Entwicklung‹), liegt bereits ein Akt der Macht. In ihm verbergen sich Herrschaftsinteressen. Denn das erzeugte Wissen rechtfertigt rassistische Handlungen und verarbeitet sie gleichzeitig gleichsam ›theoretisch‹.« (IDA e.V. o.J.)

»Race wird oft als Rasse oder bestenfalls unter Anführungszeichen, die die Übersetztheit markieren sollen, als ›Rasse‹ übersetzt — obwohl doch gemeinhin Einverständnis darüber besteht, dass das deutsche Wort Rasse unumgänglich den Verweis auf den Holocaust und faschistische Ideologien vollzieht. Den englischsprachigen Begriff race kennzeichnet zudem eine jahrzehntelange Geschichte der politischen und theoretischen Umarbeitung und Wiederaneignung durch ethnisierte, rassisierte Sprecher_innen. […] Für die Übersetzung des Begriffs race wählen wir den in zeitgenössischen deutschsprachigen rassismuskritischen Texten verwendeten Begriff der Rassisierung [Rassisierung, Rassialisierung, Rassisierheit, ergänzt d. V]. […] Dieser Begriff verweist in seiner grammatikalischen Form auf den Prozess des Konstruierens. Auf der Ebene der Vorstellung wie auch der Alltagspraxis bedeutet er die soziale Praxis des rassistischen Markierens. Der Begriff ermöglicht so eine Denaturalisierung rassistischer Typologisierungen, die immer Manifestationen von Rassismus sind.« (Gender et alia 2001)

 

Glossar, IDA e.V.

Aus unserer DiskussionspraxisGender et alia, ​​​​​​​… , 2001

Siehe auch, Rassismus nicht beim Namen nennen, Bundeszentrale für Politische Bildung,  

 

Repräsentation 

 

S

 

sozio-kulturelle Herkunft 

Spectrum

Stereotypisierung /Stereotypen

Stereotype bezeichnen eine Verallgemeinerung und unvollständiges Wissen über bestimmte soziale Gruppen, zum Beispiel, unter anderen Frauen, Männer, Ältere, Ausländer*innen, Lesben oder Schwule, Behinderte. Diese Generalisierung schreibt allen Mitgliedern der Gruppe die gleichen Eigenschaften zu, wie sie aussehen, sich kleiden oder welche Fähigkeiten sie haben – unabhängig von ihren individuellen Unterschieden, zum Beispiel „Alte sind weise, Schwule sind kreativ oder Afrikaner*innen laufen schneller.“ (Anti-bias)

​​

In der Schule zum Beispiel kann es vorkommen, dass Schüler*innen und Kolleg*innen infolgedessen auf ihre zugeschriebene Gruppenzugehörigkeit und diese Eigenschaften reduziert werden. Dadurch werden sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede innerhalb der konstruierten Gruppen verwischt. „Die „den Anderen“ zugeschriebenen Eigenschaften sind weder willkürlich noch zufällig. Sie leiten sich von den gesellschaftlich vorherrschenden Werten ab. Mittels Stereotypisierung können rassistisch nicht diskreditierbare Menschen also alles Abweichende und „Unnormale“ auf „die Anderen“ projizieren und auf diese Weise von sich abspalten. Dadurch werden gesellschaftliche Normen durchgesetzt, die eigene Identität stabilisiert und symbolische Grenzen gezogen.“ (IDA e.V.)

 

Plattform ANTI-BIAS, Wien, o.J. 

 

Glossar IDA e.V.

 

 

T

 

Transgender /Trans 

Ein Begriff, der die Geschlechtsidentität einer Person beschreibt, die nicht unbedingt dem ihr bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht entspricht. Transgender-Personen können sich dazu entschließen, ihren Körper hormonell und/oder chirurgisch zu verändern, um ihrer Geschlechtsidentität zu entsprechen, müssen es aber nicht. Der Begriff wird auch als Oberbegriff für Personengruppen verwendet, die über die konventionellen Erwartungen an die Geschlechtsidentität oder den Geschlechtsausdruck hinausgehen – dazu gehören unter anderem Menschen, die sich als transsexual, genderqueer, gender variant, gender diverse und androgynous​​​​ identifizieren.

 

Guide to being a trans ally, Straight for Equality, Pflag, 2020

 

U

Unterbrechung hegemonialer Verhältnisse

Das »Unterbrechen hegemonialer Verhältnisse« ist eine politisch aktivistische Handlung gegen strukturelle Diskriminierung. Dazu ist zunächst wichtig zu wissen, was hegemoniale Verhältnisse meint (siehe Hegemonie). Die Gesellschaft ist hierarchisch strukturiert, d.h. es gibt Menschen, die aufgrund ihrer Hautfarbe, ihres Wohnortes, ihrer Körperform, ihres Geschlechts, strukturelle Nachteile erfahren, während andere Gruppen von den Ausbeutungsverhältnissen profitieren. Diese hegemonialen Verhältnisse können unterbrochen werden, indem zum Beispiel Personen, Methoden, Konzepte etc. in konventionelle Systeme eingeführt werden, die die bisherige Ordnung bzw. Konvention irritieren, verändern, neu aufstellen. 

Beispiele für die Unterbrechung hegemonialer Verhältnisse wären:

Unterbrechung des hegemonialen Kanons

Statt Denker und Künstler im Unterricht zu thematisieren, die die soziale Norm von weiß sein, Cis-Männlichkeit, bürgerlich etc. verkörpern, könnten Lehrende und Vermittelnde Positionen behandeln, deren Sichtbarkeiten (z.B. weibliche/queere/Schwarze und Denker_innen/Künstler_innen of Color etc.) den vorgegebenen Kanon unterbrechen würden.

Unterbrechung hegemonialer Verhältnisse durch Strukturen

Da diese Künstler*innen strukturell ausgeschlossen werden, gestaltet sich die Recherche als mühsam und kann unter Stress zusätzlich belastend sein. Oft müssen sich kritisch-informierte Lehrende und Vermittelnde die Information selbst erarbeiten und können nicht klassisch auf Literaturdatenbanken oder Archive zurückgreifen. Warum dann nicht selbst Bücher schreiben oder eine Literaturdatenbank aufstellen, die die Suche für alle in Zukunft einfacher macht? So können Strukturen aufgebaut werden, die längerfristig die Arbeit gegen die hegemonialen Verhältnisse erleichtern.

Unterbrechung hegemonialer Verhältnisse durch Methoden

Manchmal können Methoden selbst soziale Ausschlüsse reproduzieren, wenn sie nicht an die Lerngruppe angepasst werden. Als Lehrende sollte ich mir daher die Frage stellen, wie ich am besten alle, d.h. ausgehend von der Position, die am strukturell benachteiligsten ist, in meine (Lehr-)Praxis miteinbeziehen kann. Um beispielsweise Lernende nicht auszuschließen, die nicht so gut deutsch sprechen, wäre es sinnvoll, Methoden auszuwählen, die Sprech- und Sprachanteile reduzieren, oder Texte in der jeweiligen Muttersprache bereitzustellen. Wichtig ist dabei zu berücksichtigen, dass das Unterbrechen hegemonialer Verhältnisse ein fortlaufender Prozess ist. Das bedeutet, dass eine alleinige Unterbrechung (z.B. Tokenism: Ich behandele im Unterricht eine Schwarze Position und reproduziere weiterhin den hegemonialen Kanon) nicht ausreicht. Um längerfristig etwas zu verändern, müssen Strukturen geschaffen werden, die die Unterbrechung hegemonialer Verhältnisse dauerhaft möglich machen bis hin zu einer Etablierung diskriminierungskritischer Ansätze.

 

W

Weiß / Weißsein

Mit weiß ist nicht unbedingt die Schattierung der Haut eines Menschen gemeint, sondern die Positionierung und soziale Zuschreibung als weiß in einer rassistisch strukturierten Gesellschaft. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass durch Rassifizierung und Rassismus nicht nur rassistisch diskreditierbare Menschen, sondern auch rassistisch nicht diskreditierbare Menschen positioniert werden. Das heißt Rassismus weist auch weißen Menschen strukturell einen bestimmten sozialen Ort zu. Dieser Ort ist verbunden mit Privilegien, Dominanzerfahrungen und der Erfahrung als Maßstab zur Beurteilung nicht-weißer Menschen zu fungieren, ohne selbst als weiß markiert zu werden. Wer als weiß gilt und wer nicht variiert historisch, sozial und geografisch. Dennoch ist Weißsein historisch und gesellschaftsstrukturell verankert, so dass es keine Frage der freien Entscheidung ist, ob weiße Menschen Vorteile aus dieser Positionierung ziehen und ob sie Dominanz ausüben können. Die Bezeichnung weiß dient also dazu, diese in der Regel unmarkiert bleibende Positionierung weißer Menschen – mit ihren in der Regel für sie unsichtbaren Folgen – sichtbar zu machen. Erst dadurch lassen sich bestehende Machtverhältnisse und Normalitätsvorstellungen beschreiben, analysieren, reflektieren und verändern, ohne dass Positionierungen als natürliche Eigenschaften von Menschen erscheinen. Um diese Zusammenhänge deutlich zu machen, wird in diesem Glossar weiß stets kursiv gesetzt. Andere Autor:innen schreiben das Adjektiv in Analogie zu Schwarz groß.

 

Glossar Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismus e.V.

 

Worldmaking